ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe

Wertewandel und Kultur im deutschen Mittelstand

Dazu 3 Fragen an Nikolaus Zumbusch

BRAND CONTRAST
Foto: Niko­laus Zumbusch
16. März 2017

Nach­hal­tige Struk­tu­ren, Verläss­lich­keit, lang­fris­ti­ges Denken, Vertrauen, Fair­ness und Leis­tungs­be­reit­schaft – das sind Werte, die in mittel­stän­di­schen Unter­neh­men elemen­tar sind. Sie bilden die Basis für die Inno­va­ti­ons­kraft unse­rer Firmen und deren Anpas­sungs­fä­hig­keit an den Markt. Mittel­ständ­ler über­neh­men ganz­heit­li­che Verant­wor­tung. Für ihre Mitar­bei­ter, Produk­tion und Dienst­leis­tun­gen. — Sind die Werte des Mittel­stan­des universell?


Dazu 3 Fragen an Kommu­ni­ka­ti­ons­be­ra­ter bei BRAND CONTRAST in Frank­furt am Main

1. Welche Bedeu­tung haben heute noch die alten unter­neh­me­ri­schen Werte?

Nach dem deut­schen Philo­so­phen der Aufklä­rung Imma­nuel Kant sind Werte „spezi­fi­sche Beschaf­fen­hei­ten, die zur Hoch­schät­zung würdig machen; spezi­fi­sche posi­tive Quali­tä­ten, die Norm- und Soll-Charak­ter haben”. Verein­facht formu­liert, sind Werte von einem Unter­neh­men bewusst gewählte Eigen­schaf­ten, die dem Unter­neh­men wich­tig, wert­voll und erstre­bens­wert sind und als Maßstab für ihr Handeln dienen.

Der mittel­stän­di­sche Unter­neh­mer lebt teils schon seit Gene­ra­tio­nen in seinem Unter­neh­men vor, wie man sich gegen­über seinen Anteils­eig­nern, Part­nern, Mitar­bei­tern, Liefe­ran­ten oder Kunden verhält, ohne dass es dazu einer ausfor­mu­lier­ten und imple­men­tier­ten Wert­vor­stel­lung bedarf. Sein ethi­sches Verhal­ten defi­niert der werte­ori­en­tierte Unter­neh­mer jedoch nicht erst dann, wenn er an die Gren­zen der Lega­li­tät gelan­gen könnte, sondern bereits von Beginn seiner Unter­neh­mung an! Ich denke, dass in diesem Zusam­men­hang der ehrbare Kauf­mann mit seinen „hansea­ti­schen Gepflo­gen­hei­ten“ als gutes Beispiel ins Feld geführt werden muss. Bei ihnen gelten Wort und Hand­schlag ohne Wenn und Aber.

Werden die defi­nier­ten und imple­men­tier­ten Leit­werte wirk­lich ernst genom­men und gelebt, erfolgt die gesamte Ausrich­tung des Unter­neh­mens im Einklang mit den Werten, was sich in sämt­li­chen Hand­lun­gen wider­spie­gelt. Diese Unter­neh­mens­werte sollen nach innen und außen Orien­tie­rung bieten. Mit Blick auf die 12 wich­tigs­ten Werte in deut­schen Unter­neh­men (siehe Grafik SCOPAR-Studie “Die wich­tigs­ten Werte”) sind die TOP 3 Ehrlich­keit, Verläss­lich­keit und Respekt.

Die 12 wichtigsten Werte in Deutschen Unternehmen (Quelle: SCOPAR)
Die 12 wich­tigs­ten Werte in Deut­schen Unter­neh­men (Quelle: SCOPAR)

Unab­hän­gig von der Unter­neh­mens­größe und Bran­che haben mitt­ler­weile die meis­ten Unter­neh­men ihre Unter­neh­mens­werte in irgend­ei­ner Form beschrie­ben. Es scheint in diesen „unru­hi­gen Zeiten“ zu einer Renais­sance der Werte zu kommen. Das globale Wett­be­werbs­um­feld hat sich für den inter­na­tio­na­len Mittel­stand verschärft. Immer mehr Unter­neh­men entde­cken daher die werte­ba­sierte Marken­füh­rung als stra­te­gi­sche Antwort darauf. Bei aller Austausch­bar­keit der Leis­tungs­an­ge­bote spie­len Unter­neh­mens- und Marken­werte in der Marken­füh­rung eine immer entschei­den­dere Rolle, um sich vom Wett­be­werb zu differenzieren.

Ein Blick auf die Websei­ten der Markt­teil­neh­mer im FYB ist da recht inspi­rie­rend. Dort finden Sie die gesamte Spann­breite: Von ernst gemeint und authen­tisch über was könnte gut klin­gen bis hin zu gar nichts. Als posi­ti­ves Beispiel ist mir dort u.a. die Betei­li­gungs­ge­sell­schaft ALLISTRO mit dem Leit­satz „Werte schaf­fen – Werte erhal­ten“ und dem klaren Bekennt­nis des Manage­ments zu den Werten des Mittel­stand und ihrer unter­neh­me­ri­schen Tradi­tion aufge­fal­len. Auch inter­es­sant ist die Neuaus­rich­tung der Südwest­bank nach der Finanz­krise, die ihre Private Banking-Bera­tung konse­quent an neuen hohen Quali­täts­stan­dards und „einklag­ba­ren“ Werten erfolg­reich ausge­rich­tet hat.

Bedenk­lich hinge­gen finde ich, dass beispiels­weise das Such­wort „Unter­neh­mens­werte“ auf der Home­page der Bitkom „0“ Such­ergeb­nisse ange­zeigt. Ich finde das schon alleine deshalb erstaun­lich, weil die Bitkom als Sprach­rohr der IT-Bran­che in Deutsch­land mehr als 2.400 inno­va­tive mittel­stän­di­schen Unter­neh­men der digi­ta­len Wirt­schaft vertritt, die mit ihren rund 700.000 Beschäf­tig­ten jähr­lich Inlands­um­sätze von 140 Milli­ar­den Euro erzie­len und für Exporte im Wert von weite­ren 50 Milli­ar­den Euro stehen. Ich hoffe, dass die Unter­neh­mens­werte bei aller Eupho­rie für die Indus­trie 4.0 und die digi­tale Trans­for­ma­tion nicht „wegdi­gi­ta­li­siert“ werden.

Bei ande­ren Mittel­stands­ver­ei­ni­gun­gen, wie dem BVMW, kommt es zwar zu besse­ren Tref­fer­zah­len, aber inhalt­lich über­zeu­gend sind die Beiträge oft nicht, auch wenn die Werte­ori­en­tie­rung der Mitglieds­un­ter­neh­men viel­fach als Schlacht­ruf ins Feld geführt wird.

Rich­tig gut und authen­tisch sind meines Erach­tens die Unter­neh­men und Stif­tun­gen des Welt­markt führen­den Mittel­stands oder den Hidden Cham­pi­ons des deut­schen Mittel­stan­des aufge­stellt. Diese stehen tradi­tio­nell für ehrlich gemeinte und gelebte Werte. Ihre Wert­vor­stel­lun­gen sind Teil des Erfolgs­kon­zep­tes. Von ihnen kann man in dieser Hinsicht eine Menge lernen.

Sehr frag­wür­dig finde ich in diesem Kontext den Umgang mit über­zo­ge­nen Bonus­zah­lun­gen. Die Poli­tik fordert nach all den Enthül­lun­gen mehr Gerech­tig­keit. Doch leider sind auch sie bei der Bevöl­ke­rung als unglaub­wür­dig ange­se­hen, weil ihr eige­nes Verhal­ten im Wider­spruch zu ihren öffent­lich verlaut­bar­ten Werte­vor­stel­lun­gen steht.

2. Welche Werte kann man in Netz­wer­ken erkennen?

Vor dem Hinter­grund perma­nen­ter Verän­de­run­gen in unse­rer globa­li­sier­ten Welt ist die Besin­nung auf Tugen­den und die Renais­sance der Werte als erfolgs­stüt­zende Sicht- und Hand­lungs­an­wei­sun­gen erfreu­li­cher Weise wieder auf die Agenda gekommen.

Mit Fokus auf die Invest­ment­bran­che lohnt sich bei ihrer Frage ein kurzer analy­ti­scher Blick auf ein außer­ge­wöhn­li­ches Netz­werk-Beispiel: Auf den im letz­ten Dezem­ber gegrün­de­ten Start-up-Fonds „La Fami­glia“, in dem sich Mitglie­der deut­scher Unter­neh­mer­fa­mi­lien zu einem inter­na­tio­na­len Wagnis­ka­pi­tal-Fonds und Netz­werk zusam­men­ge­tan haben. Hier wird ganz gut deut­lich, wie Netz­werke im Mittel­stand auch über die Landes­gren­zen hinaus funk­tio­nie­ren können. Der Fonds soll Geld in Start-ups inves­tie­ren und den Austausch zwischen der Indus­trie und jungen Unter­neh­men fördern. Denn im Vergleich zu Ländern wie den USA gibt es in Deutsch­land aber auch in Europa bisher recht wenige Wagnis­ka­pi­tal-Fonds, die Grün­der unter­stüt­zen. So geht es bei La Fami­glia nicht nur um die schlichte Anla­ge­form des „Venture Capi­tal“ bzw. der Früh­pha­sen-Finan­zie­rung, sondern auch um die zukünf­tig bessere Einbin­dung des Themas der Digi­ta­li­sie­rung. Werte, die in dieser Zusam­men­ar­beit gelebt werden, sind über­haupt erst die Basis für das Entste­hen solcher Vehi­kel, wie es bei La Fami­glia der Fall ist. Hier­bei geht es nicht nur um eine schlichte Koope­ra­tion, sondern um Vertrauen, dass durch gemein­sa­mes, auf Dauer ange­leg­tes koope­ra­ti­ves Verhal­ten über Zeit entsteht.

Ob die Wahl des Namens “La Fami­lia“ aller­dings so glück­lich gewählt ist und die dahin­ter stehende Geschäfts­idee mit ihren defi­nier­ten Werten wider­spie­gelt, bezwei­fele ich. In einem Arti­kel der Süddeut­schen Zeitung wird der Unter­neh­mens­name „La Fami­glia“ auf nach­denk­lich-amüsante Weise mit der „Mafia“ in Verbin­dung gebracht. „Fami­glia“ ist zudem ein Karten­spiel, das im Gangs­ter-Milieu spielt. Kann diese Analo­gie bei der Namens­fin­dung so gewollt gewe­sen sein? Wir werden es viel­leicht einmal erfahren.

3. Wie kann die Poli­tik lernen von der Haltung und Verant­wor­tung der Mittel­ständ­ler, um wirkungs­voll und verant­wor­tungs­voll Poli­tik zu machen?

Das ist ein ganz schwie­ri­ges und komple­xes Thema. Ich glaube, in unse­rer Gesell­schaft soll­ten die Leute lang­sam aufwachen.

Die Rück­be­sin­nung auf Unter­neh­mens­werte, wie beispiels­weise die schon zitier­ten „hansea­ti­schen Gepflo­gen­hei­ten“, schafft viel­leicht wieder eine neue Quali­tät und ein neues Bewusst­sein in der geschäft­li­chen Zusam­men­ar­beit, in den öffent­li­chen Diskus­sion – sei es in Talk­shows, in soge­nann­ten Exper­ten­run­den oder auf dem poli­ti­schen Parkett – oder inner­halb der virtu­el­len Gemein­schaf­ten auf den Platt­for­men und Kanä­len der Sozia­len Netz­werke. Damit meine ich auch die Haltung gegen­über dem verant­wor­tungs­lo­sen Umgang mit gezielt gestreu­ten „Fake News“ oder „alter­na­ti­ven Fakten“, um Vorteile daraus zu schöpfen.

Spätes­tens seit der regel­mä­ßi­gen Verbrei­tung der 140 Trump‘schen Zeichen auf Twit­ter und der Schmä­hung der Medien als „Lügen­presse“ durch rechte Popu­lis­ten kommt es zu öffent­li­chem und promi­nen­tem Protest für das Einhal­ten von Werten und gegen eine respekt­lose Verhal­tens- und Kommu­ni­ka­ti­ons­kul­tur. Da sind wir dann wieder bei den Werten Ehrlich­keit, Verläss­lich­keit und Respekt. Viele US ameri­ka­ni­sche Unter­neh­men haben sich im Protest verbündet.

Es soll und muss unter­schied­li­che Posi­tio­nen und Meinun­gen zu all den gesell­schaft­li­chen, unter­neh­me­ri­schen oder poli­ti­schen Themen geben. Viel­falt hat schon immer dabei gehol­fen, den besten Weg zu finden. Es ist ziel­füh­rend kontro­vers darüber disku­tie­ren, welcher Weg oder welche Reak­tion ange­mes­sen ist, wenn man einen ande­ren Stand­punkt vertritt. Aber bitte mit Stil und Haltung und auf Basis von echten (und nicht alter­na­ti­ven) Fakten. Wenn man bedenkt, dass das Vertrauen in den Berufs­stand eines Feuer­wehr­manns, Sani­tä­ters oder Pilo­ten bei weit über 90% liegt aber in Poli­ti­ker bei ledig­lich 15%, in Versi­che­rungs­ver­tre­ter bei 19%, Jour­na­lis­ten bei 37%, in Banker bei 39% oder in Unter­neh­mer bei 51% in Deutsch­land liegt (laut GfK Compact Befra­gung), dann kommt das nicht von unge­fähr. Die Poli­tik (nicht nur in Deutsch­land) kann demnach von allen eini­ges lernen. Wäre an der Zeit und einen Versuch wert.
Wir soll­ten zu einem Werte­be­kennt­nis Posi­tion bezie­hen, zu Ehrlich­keit, Verläss­lich­keit und Respekt aufru­fen, wie der Mittel­stand die Werte vorle­ben und das so oft wie möglich mit intel­li­gen­ten Botschaf­ten tun. Mittel­stand und Poli­tik soll­ten in Zukunft wieder mehr Hand in Hand gehen. Denn der Weg zu nach­hal­ti­gen und erfolg­rei­chen Lösun­gen erfor­dert das Zusam­men­spiel aller Betei­lig­ten. Ganz oben auf meiner Wunsch­liste steht eine gerin­gere Einfluss­nahme der Poli­tik in unter­neh­mens­spe­zi­fi­sche Entscheidungen.

Über Niko­laus Zumbusch:
Niko­laus Zumbusch (Jahr­gang 1963) grün­dete 2010 die Kommu­ni­ka­ti­ons­be­ra­tung BRAND CONTRAST mit Sitz in Frank­furt am Main. BRAND CONTRAST unter­stützt seine Kunden bei der Formu­lie­rung und der Umset­zung ihrer Ziele mit Initia­tive, Ideen und profes­sio­nel­lem Kommu­ni­ka­ti­ons­ma­nage­ment und Kommunikationscontrolling.

Niko­laus Zumbusch verfügt über umfang­rei­che Erfah­rung in den Berei­chen Wert­schöp­fung durch Kommu­ni­ka­tion, Kommu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie, Marken­kom­mu­ni­ka­tion, CEO Posi­tio­nie­rung, Online-Kommu­ni­ka­tion und Social Media. Zu dem Kunden zählen Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen aus den Berei­chen Tele­kom­mu­ni­ka­tion, Tech­no­lo­gie, IT, Ener­gie, Finan­cial Services, Private Equtiy, Maschi­nen und Anla­gen­bau, Logis­tik und Architektur/Bau.

Als Mana­ging Direc­tor leitete er die Tech­no­logy Prac­tice von Burson-Marstel­ler Deutsch­land in Frank­furt. Als Mitglied des Manage­ment-Teams der global täti­gen Agen­tur für Public Rela­ti­ons und Public Affairs und entwi­ckelte die Berei­che Media Intel­li­gence und Eviden­ced Based Commu­ni­ca­ti­ons auf inter­na­tio­na­ler Ebene feder­füh­rend mit und betreue natio­nal und inter­na­tio­nal agie­rende Orga­ni­sa­tio­nen und Unternehmen.

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