ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe

Fällt der Verkauf der VIESSMANN Klima-Sparte unter die Investitionskontrolle?

Dazu 3 Fragen an Dr. Michaela Westrup

REED SMITH in München
Foto: Dr. Michaela Westrup
10. Mai 2023

Heizungs­bauer Viess­mann verkaufte seine Klima-Sparte einschließ­lich der lukra­ti­ven Wärme­pum­pen für 12 Milli­ar­den Euro an den US-Inves­­tor Carrier. Fällt diese Trans­ak­tion unter die Außen­wirt­schafts­ver­ord­nung von 2017, die deut­sche “Schlüs­sel­tech­no­lo­gien” besser schüt­zen soll.


Dazu 3 Fragen an Dr. Michaela Westrup, LL.M. (Chicago), Rechts­an­wäl­tin und Part­ne­rin bei REED SMITH in München

1. Ist die VIESSMANN Klima-Sparte, die an den US-Inves­tor Carrier verkauft wurde, ein Schlüs­sel­un­ter­neh­men” im Sinne AWV (Außen­wirt­schafts­ver­ord­nung)?

Das AWV zählt die Sekto­ren in Form von Fall­grup­pen auf, die eine Melde­pflicht und – bis zur Frei­gabe ein Voll­zug­ver­bot – für auslän­di­sche Inves­to­ren begrün­den können. Es ist nicht zu erken­nen, dass die Klima­sparte von Viess­mann zwin­gend unter eine der Fall­grup­pen fällt. Aber selbst wenn keine Melde­pflicht besteht, hat das Bundes­mi­nis­te­rium für Wirt­schaft und Klima­schutz (BMWK) ein Prüf­recht, sofern sich ein auslän­di­scher Inves­tor wie vorlie­gend mit mehr als 25% der Stimm­rechte an einem deut­schen Unter­neh­men beteiligt.

Auch ohne Bestehen einer Melde­pflicht kann es daher für Unter­neh­men ratsam sein, einen Erwerb beim BMWK frei­wil­lig zu melden und einen Antrag auf Unbe­denk­lich­keits­be­schei­ni­gung zu stel­len. Etwa­ige Beden­ken des BMWK hinsicht­lich der öffent­li­chen Ordnung und Sicher­heit können dadurch im Vorfeld ausge­räumt und die Rechts­si­cher­heit erhöht werden, da ein nach­träg­li­ches Einschrei­ten vermie­den wird. Vorbe­halt­lich frühe­rer Kennt­nis­er­lan­gung kann das BMWK nämlich noch bis zu fünf Jahre ab Signing ein Prüf­ver­fah­ren einleiten.

Im vorlie­gende Fall sind in Bezug auf die öffent­li­che Ordnung und Sicher­heit keine erheb­li­chen Beden­ken abzu­se­hen, auch wenn Erträge aus dem Viess­mann-Geschäft künf­tig über­wie­gend zu Carrier in die USA abwan­dern dürf­ten. Wich­ti­ger sollte aus Sicht des BMWKs der Erhalt der Wert­schöp­fung am Stand­ort Deutsch­land sein, einschließ­lich dem Erhalt von Arbeits­plät­zen und der Vorsor­gungs­si­cher­heit Deutsch­lands und der EU mit Wärmepumpen.

2. Was ist denn beim VIESS­MAN-Fall im Hinblick auf die Fusi­ons­kon­trolle zu beachten?

In Bezug auf die Fusi­ons­kon­trolle haben die Parteien etwa­ige Anmel­de­pflich­ten bei den Kartell­be­hör­den derje­ni­gen Länder zu beach­ten, in denen die jewei­li­gen Aufgreif­schwel­len über­schrit­ten werden. Diese sind von Land zu Land unter­schied­lich und knüp­fen an die Umsatz­stärke bzw. an Markt­an­teile der Parteien an. Das Über­schrei­ten der Schwel­len kann zu Anmel­de­pflich­ten und Voll­zugs­ver­bo­ten in den betref­fen­den Ländern führen. Verstöße (sog. gun jumping) können ernst­hafte Risi­ken nach sich ziehen.

Die Umsätze von Carrier und der Klima­sparte von Viess­mann legen nahe, dass in der EU die Euro­päi­sche Kommis­sion und nicht die einzel­nen Mitglied­staa­ten für die Prüfung des geplan­ten Zusam­men­schlus­ses zustän­dig sein dürfte, so dass das Vorha­ben dort zentral anzu­mel­den wäre. Auch außer­halb der EU sind etwa­ige Fusi­ons­kon­troll­pflich­ten zu beach­ten, einschließ­lich in den USA, wo eben­falls beide Betei­lig­ten tätig sind.

Regel­mä­ßig geht man die Fusi­ons­kon­trolle bei der Planung von M&A oder PE Trans­ak­tio­nen in paral­le­ler Koor­di­na­tion mit der Inves­ti­ti­ons­kon­trolle früh­zei­tig an und beginnt mit einer länder­über­grei­fen­den Prüfung von Melde-/Anmel­de­pflich­ten. Diese können neben­ein­an­der bestehen. Es liegt daher nahe, für Trans­ak­tio­nen mit inter­na­tio­na­lem Bezug, Kanz­leien mit entspre­chen­der Reich­weite zu beauf­tra­gen. Insbe­son­dere stellt es eine erheb­li­che Erleich­te­rung dar, wenn die von den betei­lig­ten Unter­neh­men benö­tig­ten Infor­ma­tio­nen gebün­delt abge­ru­fen werden können und die Verfah­ren unter­ein­an­der koor­di­niert ablau­fen. So werden Wider­sprü­che im Vortrag und unnö­ti­ger Arbeits­auf­wand vermieden.

Im vorlie­gen­den Fall sind auch in mate­ri­el­ler Hinsicht keine ernst­haf­ten Beden­ken in Bezug auf die Fusi­ons­kon­trolle abzu­se­hen. Prüfungs­maß­stab ist hier im Unter­schied zur Inves­ti­ti­ons­kon­trolle die Auswir­kung einer Trans­ak­tion auf den Wett­be­werb in den jewei­li­gen sach­li­chen und räum­li­chen Märk­ten. Der Wett­be­werb im betref­fen­den Markt für den Absatz von Klima­pro­duk­ten, insbe­son­dere Wärme­pum­pen, dürfte beson­ders in Deutsch­land auch durch die Geset­zes­lage geprägt sein. Durch die jüngs­ten Entwick­lun­gen im Ener­gie­be­reich ist mit einem erheb­li­chen Zuwachs der Nach­frage insbe­son­dere nach Wärme­pum­pen zu rech­nen, was wiederum anbie­ter­sei­tig dazu führt, dass in den Bereich inves­tiert wird. Dieser Trend voll­zieht sich bereits. Schon heute drän­gen verstärkt sowohl asia­ti­sche als auch Anbie­ter aus der EU auf den deut­schen Markt. Hier findet hefti­ger Wett­be­werb statt, der die Viess­man­n/­Car­rier-Konso­li­die­rung verkraf­ten sollte, ohne erheb­li­che Wett­be­werbs­be­hin­de­run­gen befürch­ten zu müssen.

3. Welche weite­ren Vorschrif­ten fallen wett­be­werbs­recht­lich noch ins Gewicht? (zuneh­mende Regu­lie­rung etc., da es insbe­son­dere bei den neuen Tech­no­lo­gien neue Dyna­mi­ken und so viele neue Entwick­lun­gen entste­hen; foreign subsi­dies regulation)

Welt­weit voll­zieht sich derzeit ein Trend, wonach die regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen zum Schutz von Wett­be­werb immer weiter ange­ho­ben werden. Insbe­son­dere im Bereich der Digi­tal­wirt­schaft sind schon seit etli­chen Jahren massive Verschär­fun­gen zu beob­ach­ten. Eine zuneh­mende Sorge der EU betraf Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen im Binnen­markt, verur­sacht durch Akteure, die Zugang zu dritt­staat­li­chen Subven­tio­nen haben. Zum Schutz des Binnen­mark­tes hat die EU die Foreign Subsi­dies Regu­la­tion (FSR) erlas­sen, die eine Reihe neuer Befug­nisse für die EU Kommis­sion regelt. Diese treten nicht nur neben das bestehende Beihil­fe­recht. Unter der FSR können für größere Trans­ak­tio­nen ab bestimm­ten Umsatz­schwel­len bzw. je nach Höhe der empfan­ge­nen finan­zi­el­len dritt­staat­li­chen Zuwen­dun­gen künf­tige weitere Melde­pflich­ten auch zusätz­lich zur Inves­ti­ti­ons­kon­trolle und der Fusi­ons­kon­trolle hinzu­tre­ten. Kriti­ker befürch­ten hier eine Über­re­gu­lie­rung und bemän­geln erheb­li­che Rechts­un­si­cher­hei­ten in der nahen­den Anwen­dungs­pra­xis. Die EU Durch­füh­rungs­ver­ord­nung zur FSR befin­det sich noch im Abstimmungsprozess.

 

Dr. Michaela Westrup 

Dr. Michaela Westrup ist Part­ne­rin und führende Anwäl­tin der deut­schen Kartell­rechts­pra­xis von Reed Smith. Sie berät eine Viel­zahl von inter­na­tio­na­len Unter­neh­men in kartell­recht­li­chen Ange­le­gen­hei­ten der EU und in Deutsch­land, darun­ter einige der welt­weit größ­ten digi­ta­len Platt­for­men und Bran­chen­füh­rer, bei kartell­be­hörd­li­chen Unter­su­chun­gen, Strei­tig­kei­ten, Compli­ance- und Vertriebs­an­ge­le­gen­hei­ten sowie in Kartell- und Missbrauchsverfahren.

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