Die neue Dimension geopolitischer Einflussnahme / Political Due Diligence
Agora Strategy Group AG
Weitere Interviews
16. Oktober 2024
1. Welchen Einfluss haben die Wahlen auf die Beziehungen zwischen den Ländern?
Insgesamt fanden 2024 in 64 Ländern der Welt nationale Wahlen statt – von Russland über Iran, Indien, Südafrika, Taiwan bis zu Frankreich, um nur ein paar zu nennen. Paradoxerweise tragen diese Veränderungen eher zu wachsender Unsicherheit bei und befördern Spannungen mehr als Zusammenarbeit. In Taiwan verschärft der Wahlsieg von Lai Ching-te von der Demokratischen Fortschrittspartei, den China als Separatisten betrachtet, die strategische Ausrichtung der beiden Länder und die Beziehungen zwischen den USA und China. In Frankreich lassen der Aufschwung der rechtsnationalen Partei Rassemblement National von Marine Le Pen sowie des Linksbündnis Nouveau Front Populaire Zweifel an Macrons Stellung aufkommen. Auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament profitierten rechte Parteien wie z.B. die AfD, der französische RN oder die FPÖ in Österreich. Auch wenn sich die demokratische Mitte des Parlaments weitgehend behauptet und der Rechtsdruck nicht zwingend als Indikator für die zukünftige Ausrichtung der EU gedeutet werden muss, sollten sich die EU und ihre Bürgerinnen und Bürger auf einschneidende Veränderungen gefasst machen.
2. In den Medien liest man von einer Politisierung von Wirtschaft und Technologie. Was genau ist damit gemeint?
Man spricht in dieser Hinsicht von der „Weaponization of Everything“. Dieser Begriff beschreibt die Politisierung von Wirtschaft und Technologie als Werkzeuge für geopolitische oder strategische Zwecke. Den vermeintlich „unpolitischen Unternehmer“ gibt es nicht mehr.
Auch der Bereich der hybriden Kriegsführung mit Anti-Informationskampagnen und Cyberangriffen auf Unternehmen, insbesondere im Bereich der kritischen Infrastruktur, und die Debatte um Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse bleibt maßgeblich für Firmen und Investoren. Egal ob gewünscht oder nicht, Unternehmerinnen und Unternehmer können sich diesem Trend nicht entziehen und müssen „geopolitischer“ in ihrem Mindset werden.
3. Wie können sich Unternehmer demgegenüber wappnen?
Unternehmen und Investoren stehen dieser Entwicklung nicht machtlos gegenüber. Es gibt einen maßgeblichen Gestaltungsspielraum. Schon mit vergleichsweise geringen Investitionen, um Resilienz und die schnelle Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens zu stärken, können Unternehmen Marktanteile gewinnen und Wettbewerber überholen. Für Investoren bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine umso gründlichere „Political Due Diligence“ sich auszahlt.
Über Dr. Timo Blenk
Dr. Timo Blenk ist ausgewiesener Experte für Geo- und Sicherheitspolitik. Seit 2018 ist Timo Blenk CEO und Partner der Agora Strategy Group. Agora Strategy hat sich zur führenden deutschen Unternehmensberatung für Geopolitik entwickelt – mit rund 300 Expertinnen und Experten weltweit. Für Agora Strategy ist es entscheidend, geopolitische Herausforderungen messbar, konkret und mit klarem Fokus in das strategische Handeln von Unternehmen zu übersetzen und gemeinsam mit dem Kunden zu implementieren. — https://www.agora-strategy.com