Corporates betätigen sich als VCs auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern
Gleiss Lutz
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11. Februar 2015
1. Warum interessieren sich auf einmal zahlreiche Corporates für Engagements bei Startups oder haben sich eine eigene Venture Unit zugelegt?
Venture Capital Investitionen durch Unternehmen, sog. Corporate Venture Capital, bieten den betreffenden Unternehmen einen Mehrfachnutzen. Zum einen zielen die Unternehmen mit ihren frühzeitigen Investitionen in Startups natürlich auf die (zum Teil erheblichen) finanziellen Renditen ab. Zum anderen verfolgen die Unternehmen aber auch strategische Ziele, insbesondere die Entwicklung von neuem Know how und neuen Geschäftsmodellen sowie das frühzeitige Erkennen von Markttrends, die gegebenenfalls für ihr Kerngeschäft und dessen Weiterentwicklung wichtig sind. In vielen Großunternehmen sind die Strukturen heute zu starr, um kurzfristig neue Ideen umzusetzen oder neue Technologien einfach einmal am Markt „auszuprobieren“. Hier fördern Startups mit ihren dynamischen, informellen Strukturen Innovationen. Dies machen sich die Großunternehmen zunutze, über ihre Investitionen in Startups erhalten sie Zugang zu diesen Innovationen und stärken so ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten oder die Weiterentwicklung ihres Kerngeschäfts. Natürlich ist der strategische Nutzen nicht einseitig, die Startups erhalten über einen Corporate Venture Capital Investor neben der finanziellen Ausstattung mit Risikokapital auch, oftmals sehr wertvollen, Zugang zu dem organisatorischen und technologischen Know how des Unternehmens, dessen Produktion, Vertriebskanälen oder Kooperationspartnern.
2. Welcher Vorgehensweise bedienen sich die Corporates? Gibt es eigene Teams?
Großunternehmen schaffen für Corporate Venture Capital regelmäßig eigene Tochtergesellschaften, die für den Mutterkonzern die relevanten Märkte und die dort tätigen Startups beobachten und strategische Investments tätigen. Zum Teil bietet schon allein die Sichtung von Beteiligungsangeboten verschiedener Startups, die Kapitalgeber suchen, wertvolle Einblicke in neue (Markt-)Entwicklungen.
Die Corporate Venture Capital Investmentgesellschaften sind idealerweise nicht zu stark eingebunden in das Mutterunternehmen und dessen Strukturen und Prozesse. Insbesondere die Entscheidungsprozesse bei Venture Capital Investitionen laufen zwangsläufig ganz anders ab als bei traditionellen Investitionsentscheidungen im Konzern. Die Investitionsentscheidung eines frühen Venture Capital Investors beruht vor allem auf dem Glauben an das wirtschaftliche Potential einer Geschäftsidee und an die Fähigkeiten der Startupgründer, die diese Idee umsetzen wollen. Belastbare, im Rahmen einer Due Diligence nach Konzernvorgaben umfassend prüfbare wirtschaftliche Kennzahlen werden hier nur selten vorliegen. Ohne entsprechend flexible Strukturen werden sich Coporate Venture Capital Investoren aber vielfach schwer tun, interessante Zielgesellschaften für Investitionen zu finden und auch talentierte Investment Manager anzuziehen bzw. zu halten. Zudem wirkt auch gegenüber den Startups und ihren Gründern, die durchweg nur informelle, dynamische Prozesse gewöhnt sind, eine eingenständige, in ihren Strukturen und Prozessen flexible Investmentgesellschaft regelmäßig attraktiver als die eher unflexible, teils bürokratische Welt des Großunternehmens.
3. In welchen Stadien der Entwicklung der Startups engagieren sich Corporates?
In der Regel beteiligen sich Großunternehmen bei ihren Corporate Venture Capital Investitionen in der frühen Entwicklungsphase an Startups. Zu diesem Zeitpunkt ist der Preis einer Beteiligung relativ günstig und das Unternehmen bekommt hinreichend Einblick in die jeweilige Geschäftsidee. Die erworbene Beteiligung sichert die Möglichkeit, an einem späteren Verkaufsprozess als Erwerbsinteressent teilzunehmen. Zu diesem frühen Entwicklungszeitpunkt sind die möglichen Synergien der Beteiligung eines Großunternehmens für den Startup und seine Gründer auch vielfach besonders wertvoll. In einer späteren Entwicklungsphase werden die Gründer gegebenfalls der Beteiligung eines Corporate Venture Capital Investors zum Teil zögerlich gegenüberstehen. Dann haben Gründer oft schon das Ziel eines optimalen Exit im Blick. Sie befürchten, dass die Beteiligung eines strategischen Investors am Startup unter Umständen negative Auswirkungen auf den später beim Exit erzielbaren Kaufpreis haben könnte. Ein potentieller Erwerber könnte zum Beispiel Sorge haben, dass der Corporate Venture Capital Investor als wesentlicher Wettbewerber über seine Beteiligung am Startup alle Untnehmensdetails und das relevante Know how kennt. Zudem hat ein Corporate Venture Capital Investor, der das Startup im Rahmen des Verkaufsprozesses gegebenenfalls selbst erweben will, natürlich kein Interesse daran, dass die Gründer einen möglichst hohen Verkaufpreis erzielen. Er wird daher Wege suchen, etwaige Probleme des Startups, die ihm ja gut bekannt sind, kaufpreismindern vorzubringen. In der späten Entwicklungsphase von Startups sieht man derzeit vermehrt typische Private Equity Investoren, die sich – vielfach mit kleineren Investitionssummen als gewöhnlich – Investments in diesen Bereich erschließen. Hintergrund ist wohl einerseits der Mangel an guten Targets in den traditionellen Private Equity Segmenten und andererseits natürlich vielfach die Hoffung auf einen erfolgreichen Exit mit (jedenfalls in absolten Zahlen) erheblichen Wertsteigerungen, insbesondere im Falle eines IPO.