ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe

Venture Debt im deutschen Markt

Dazu 3 Fragen an Dr. Stefan Gottgetreu

Bird & Bird, Düsseldorf
Foto: Dr. Stefan Gottgetreu
16. Januar 2024

Venture Debt, das heißt Risi­ko­dar­le­hen, sind ein in der deut­schen Venture Capi­tal und Startup-Szene noch rela­tiv neues und inno­va­ti­ves Finan­zie­rungs­in­stru­ment. Im aktu­ell schwie­ri­gen Markt­um­feld für Equity-Runden kann Venture Debt künftig eine größere Rolle bei der Finan­zie­rung von Inno­va­tio­nen spielen.


Dazu 3 Fragen an Dr. Stefan Gott­ge­treu , Rechts­an­walt und Part­ner Bird & Bird, Düsseldorf

1. Worin bestehen die Vorteile von Venture Debt?
Die Vorteile von Venture Debt bestehen insbe­son­dere darin, dass junge Wachs­tums­un­ter­neh­men hier­durch schon in der Wachs­tums­phase Zugang zu Fremd­ka­pi­tal erhal­ten. Sie erhal­ten dieses Fremd­ka­pi­tal bereits in einer Phase, in der sie in aller Regel aufgrund Fehlens mate­ri­el­ler Vermögensgegenstände als Sicher­heit und des Fehlens nach­hal­ti­ger Gewinne aus opera­ti­ver Geschäftstätigkeit noch keinen Zugang zu klas­si­schen Bank­fi­nan­zie­run­gen haben. Anders als bei einer Kapi­tal­auf­nahme im Rahmen einer Equity-Finan­zie­rungs­runde kommt es bei Venture Debt, sieht man von den Warrants einmal ab, zu keiner Verwässerung der Gesell­schaf­ter und Inha­ber von Equity Incen­ti­ves (ESOP, VSOP) durch die Finan­zie­rungs­auf­nahme. — Bei Aufnahme eines Venture Loans erübrigt sich außer­dem, anders als bei einer Equity Finan­zie­rungs­runde, die Fest­le­gung einer Bewer­tung der zu finan­zie­ren­den Gesell­schaft. Die Trans­ak­ti­ons­dauer einer Venture Debt Trans­ak­tion ist im Vergleich zu einer Equity Finan­zie­rungs­runde in der Regel kürzer. Ein typi­sches Venture Debt Projekt kann in ca. 6 bis 8 Wochen abge­wi­ckelt werden.
2. Wie funk­tio­niert Venture Debt?
Venture Loans sind regelmäßig keine stand-alone Finanzierungslösung, sondern ein Finan­zie­rungs­in­stru­ment, das komplementär zu Eigen­ka­pi­tal Finan­zie­rungs­run­den einge­setzt wird. Häufig werden Venture Loans zwischen zwei Finan­zie­rungs­run­den aufge­nom­men, um die weitere Unter­neh­mens­ent­wick­lung bis zum Errei­chen eines nächsten bewer­tungs­re­le­van­ten Meilen­steins zu finan­zie­ren. Ein ande­res Anwen­dungs­bei­spiel für Venture Debt ist die Bridge Finan­zie­rung von Later Stage Start­ups bis zu einem geplan­ten IPO oder Exit, ohne eine Verwässerung der Bestands­in­ves­to­ren auf dem Weg dort­hin. Venture Loans sind erst­ran­gige, hoch­ver­zins­li­che und besi­cherte Darle­hen, die zumeist auf Basis eines schrift­li­chen Darle­hens­ver­trags (sog. Term Loans) gewährt und mit den Vermögenswerten der Gesell­schaft erst­ran­gig besi­chert werden. Die Lauf­zei­ten von Venture Loans betra­gen in der Regel zwischen 36 und 48 Mona­ten. Neben endfälligen Darle­hen (Bullett Loans), bei denen die Gesell­schaft während der Lauf­zeit ledig­lich Zinsen zahlt und die Darle­hensva­luta vollständig erst bei Lauf­zeit­ende mit einer Zahlung zur Rückzahlung fällig wird, domi­nie­ren im Markt eher Venture Loans mit Tilgungs­mo­del­len (amor­tiz­ing loans). Bei diesen leis­tet die Gesell­schaft nach einer tilgungs­freien Anfangs­phase (zumeist 12 und 24 Mona­ten), in der nur Zinsen gezahlt werden müssen (Inte­rest Only Period), an den Venture Lender laufende (zumeist monat­li­che) Annuitäten bestehend aus Zins und Tilgung. Selte­ner sind Venture Loans in Form einer Anleihe (Bond).
3. Wie wirken sich die Rechte von Venture Lendern auf den Darlehns­neh­mer aus? Worauf ist bei dieser Finan­zie­rungs­form zu achten?
Dem vom Venture Debt-Geber übernommenen höheren Risiko korre­spon­die­ren branchenübliche Kontroll- und Infor­ma­ti­ons­rechte in der Venture Loan Doku­men­ta­tion, zumeist im Darle­hens­ver­trag. Wich­tig sind in der Praxis hier­bei die sog. nega­ti­ven Covenants, d.h. Vertrags­klau­seln, mit denen es dem Darle­hens­neh­mer unter­sagt wird, bestimmte recht­li­che Maßnah­men umzu­set­zen bzw. ohne Zustim­mung des Venture Debt Gebers vorzu­neh­men. Typi­sche Beispiele solcher nega­ti­ven Covenants sind das Verbot von Ausschüttungen an Gesell­schaf­ter während der Lauf­zeit des Darle­hens, das Verbot der Veräußerung wesent­li­cher Vermögensgegenstände oder wesent­li­cher Betei­li­gun­gen oder etwa das Verbot oder die Beschränkung der Aufnahme weite­rer Fremd­fi­nan­zie­run­gen oder weite­rer Besi­che­run­gen während der Darle­hens­lauf­zeit.  Die Nicht­ein­hal­tung dieser Covenants durch den Darle­hens­neh­mer führt zu einer Vertrags­ver­let­zung was den Venture Debt Geber, soweit die Gesell­schaft diese Verstöße nicht behebt zur Kündigung und Gesamtfälligstellung des Venture Darle­hens berech­tigt. Bei der Gestal­tung der Vertrags­do­ku­men­ta­tion ist bei deut­schen Deals auch darauf zu achten, dass Venture Darle­hen hinrei­chend deut­lich vom Rechts­in­sti­tut des Gesell­schaf­ter­dar­le­hens und insbe­son­dere von sog. gleich­ge­stell­ten Dritt­dar­le­hen abge­grenzt werden. — Der Venture Debt-Geber ist kein „gesell­schaf­ter­glei­cher Drit­ter“, sondern ein exter­ner Finan­zie­rungs­part­ner. Den ausführ­li­chen Autoren­bei­trag von Dr. Stefan Gott­ge­treu und Andrea Schlote (beide Bird & Bird) zum Thema „Venture Debt im deut­schen Markt – Abgren­zung zum Rechts­in­sti­tut des Gesell­schaf­ter­dar­le­hens und gleich­ge­stell­ter Dritt­dar­le­hen“ können Sie in der neuen FYB-2024 Ausgabe nach­le­sen oder als PDF bestel­len! Siehe www.fyb.de/shop.   Dr. Stefan Gott­ge­treu ist Rechts­an­walt und Part­ner bei Bird & Bird mit über 20 Jahren Erfah­rung im Venture Capi­tal-Sektor sowie im Bereich von Unternehmenskäufen und allge­mei­nen gesell­schafts­recht­li­chen Trans­ak­tio­nen. Sein Schwer­punkt liegt in der Early Stage/Start-up-Bera­tung sowie Venture Capi­tal-Trans­ak­tio­nen (sowohl Equity-Finan­zie­rungs­run­den als auch bei Venture Debt), wo er in den letz­ten zehn Jahren mehr als 80 erfolg­rei­che Deals in tech­no­lo­gie­in­ten­si­ven Bran­chen beglei­tet hat. 

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