ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe

Welche Technologien unsere Industrie voranbringen

Dazu 3 Fragen an Robert Gallenberger

MATTERWAVE Ventures in München
Foto: Robert Gallenberger
10. April 2024

Führende Forschungs­in­sti­tute senken ihre Wachs­tums­pro­gnose für die Bundes­re­pu­blik dras­tisch, in der FAZ steht zu lesen, die deut­sche Indus­trie gehe in die Knie. Etli­che Sekto­ren wie die Chemie-Indus­­trie verla­gern Stand­orte ins Ausland. Deutsch­land war und ist berühmt für seine Forschung & Entwick­lung und seine hoch­in­no­va­tive Tech­no­lo­gie. Wo liegen die Ursa­chen für diese Entwick­lung und den angeb­li­chen Nieder­gang der deut­schen Industrie?


Dazu 3 Fragen an Robert Gallen­ber­ger, Mitgrün­der und Part­ner bei MATTERWAVE Ventures in München

1. MATTERWAVE inves­tiert kurz gesagt in alles, was die Indus­trie voran­bringt: Clima­te­Tech, DeepT­ech, Indus­tri­al­Tech. Was genau verste­hen Sie darunter?

Wir inves­tie­ren als early stage VC Inves­tor entlang lang­fris­ti­ger Trends und Heraus­for­de­run­gen. Die wich­tigs­ten 3 Heraus­for­de­run­gen bzw. Trends für die euro­päi­sche Indus­trie und jegli­che Wert­schöp­fung, die mit physi­schen Indus­trie­gü­tern verbun­den ist, sehen wir erstens in der nöti­gen Reak­tion auf den Klima­wan­del, zwei­tens beim Wieder­auf­bau eines Mindest­ma­ßes von wirt­schaft­li­cher “Souve­rä­ni­tät”, d.h. den Zugang zu Funda­men­tal-Inno­va­tio­nen und die Resi­li­enz von Liefer­ket­ten zu sichern und drit­tens einer Antwort auf den demo­gra­phi­schen Wandel, die gleich­zei­tig ausrei­chend Wett­be­werbs­fä­hig­keit in globa­len Märk­ten aufrecht erhält, d.h. eine umfas­sende Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung über die gesamte indus­tri­elle Wertschöpfungskette.

Unsere Aufgabe ist es, tech­no­lo­gi­sche Inno­va­tio­nen zu iden­ti­fi­zie­ren die entspre­chend dieser Trends von ande­ren Inves­to­ren meist als Clima­te­tech, DeepT­ech oder Indus­tri­al­Tech einge­ord­net werden. Die Trenn­li­nien zwischen diesen Begrif­fen verlau­fen aus unse­rer Sicht aber eher unscharf, viele Inno­va­tio­nen können mehr als einem dieser drei Berei­che zuge­ord­net werden, für unsere Invest­ment­stra­te­gie steht daher nur im Vorder­grund, dass eine ausrei­chend starke tech­no­lo­gi­sche Diffe­ren­zie­rung und ein grund­sätz­li­cher Zusam­men­hang zu den beschrie­be­nen Trends des indus­tri­el­len Sektors gege­ben ist. Konkrete Beispiele sind zB die Reduk­tion der CO2 Emis­sio­nen spezi­fi­scher Produk­ti­ons­pro­zesse durch den Einsatz von KI-basier­ter Prozess­op­ti­mie­rung, Soft­ware für das Design von leis­tungs­fä­hi­ge­ren Mikro­pro­zes­so­ren oder Robo­tik-Lösun­gen für den Mittelstand.

2. Sie haben ein hoch­spe­zia­li­sier­tes Team. Wie gren­zen Sie sich von ande­ren DeepT­ech-Inves­to­ren ab?

Wir versu­chen mit Hilfe eines sehr diver­sen Teams — nicht nur aus unter­schied­lichs­ten euro­päi­schen Regio­nen sondern auch mit zB sehr unter­schied­li­chen akade­mi­schen und beruf­li­chen Hinter­grün­den — eine möglichst breite Basis zu bauen für die detail­lierte Einschät­zung von Tech­no­lo­gie- als auch Markt­po­ten­tia­len. Statt nur zu fragen was wäre ökono­misch grund­sätz­lich denk­bar wenn eine tech­no­lo­gi­sche Inno­va­tion funk­tio­niert — also einem star­ken Fokus auf das maxi­male Marktpotential‑, versu­chen wir zB mindes­tens stabile Hypo­the­sen zu den verblei­ben­den Risi­ken der Tech­no­lo­gie­ent­wick­lung aufzu­stel­len und nötige Zeit­räume als auch den noch bevor­ste­hen­den Kapi­tal­be­darf realis­tisch abzuschätzen.

Darauf aufbau­end versu­chen wir das Verhält­nis zwischen ökono­mi­schen Poten­tial und Kapi­tal­be­darf zu opti­mie­ren dh. im Sinne unse­rer Anle­ger also eher den am Ende reali­sier­ba­ren Multi­ple auf das einge­setzte Kapi­tal zu maxi­mie­ren und weni­ger die abso­lute (Zwischen-)Bewertung der Invest­ments in möglichst großen Folge­fi­nan­zie­rungs­run­den. Etwas zuge­spitzt formu­liert inter­es­sie­ren wir uns weni­ger für das “Unicorn-Poten­tial” auf das die Schlag­zei­len der letz­ten Jahre sehr stark fokus­siert haben, sondern für den effek­tiv mögli­chen und realis­ti­schen Kapi­tal­rück­fluss zu unse­ren Anle­gern. Dieser Ansatz ermög­licht es uns ein viel brei­te­res Port­fo­lio an unter­schied­lichs­ten Tech­no­lo­gien und Geschäfts­mo­del­len aufzu­bauen und Anle­gern eine brei­ter diver­si­fi­zierte Aufnahme von Indus­trie­tech­no­lo­gien in ihre Vermö­gen­s­truk­tur zu erlau­ben. — In kurzen Worten, echter Port­fo­lio­an­satz, weni­ger Hype!

3. Man liest aktu­ell viel Schlech­tes über die deut­sche Indus­trie. Wie denken Sie darüber und wie stufen Sie die Entwick­lung des Tech­no­lo­gie-Sektors in Deutsch­land ein?

Ich bin weder Ökonom, Poli­ti­ker noch Hell­se­her, sondern nur ein euro­pä­isch gepräg­ter Inge­nieur den es in die Venture Capi­tal Bran­che verschla­gen hat. Aus dieser Perspek­tive sehe ich in Europa und Deutsch­land unglaub­lich starke Ressour­cen, sowohl in Form von Univer­si­tä­ten und Forschungs­ein­rich­tun­gen, unter­neh­me­ri­schen Leit­bil­dern, Produk­ti­ons­ef­fi­zi­enz und Quali­tät, star­ker priva­ter Kapi­tal­ba­sis und einem exzel­len­ten Ruf in der globa­len Geschäfts­welt für Indus­trie­gü­ter. Es ist unbe­strit­ten wich­tig an manchen Punk­ten der zykli­schen Poli­tik- und Wirt­schafts­welt auf Mißstände hinzu­wei­sen, Refor­men zu fordern und Trans­for­ma­tio­nen anzu­sto­ßen. Es scheint mir, wir haben gerade in Deutsch­land fast zu viel Talent darin Defi­zite zu iden­ti­fi­zie­ren und laut­stark ins Zentrum der Aufmerk­sam­keit zu stel­len. Wir sind sehr lang­sam bis viel zu schlecht darin, uns öffent­lich auf unsere vielen Stär­ken zu besin­nen, Erfolge zu feiern und diese zum Ansporn zu nehmen.

Das führt dann leider soweit, dass wir unser priva­tes Kapi­tal lieber in die Inno­va­ti­ons­kraft ande­rer Konti­nente inves­tie­ren als in die Zukunft unse­res eige­nen Konti­nents. Für uns Venture Capi­tal-Inves­to­ren ein unver­ständ­li­cher Vorgang, denn wir haben das Privi­leg, uns täglich mit hoch­mo­ti­vier­ten Grün­dern auszu­tau­schen, die tech­no­lo­gi­schen Stär­ken des Stand­orts zu sehen und zukunfts­ori­en­tierte Poten­tiale zu bewer­ten. Damit ist unser Bild der Reali­tät natür­lich alles andere als neutral und ausge­wo­gen, aber es zeigt viele Gründe auf, opti­mis­tisch zu sein — und durch den Einsatz des ursprüng­lich meist hier erwirt­schaf­te­ten Kapi­tals die Erfolgs­wahr­schein­lich­kei­ten unse­res Konti­nents weiter zu verbessern!

Rein anek­do­tisch (selbst­ver­ständ­lich hinkt der makro­öko­no­mi­sche Vergleich) habe ich mich bei der Frage an meine ersten Gedan­ken zur Berufs­wahl in den Jahren 1991/92/93 erin­nert und ein paar der Schlag­zei­len der Wirt­schafts­presse zum damals vorher­ge­sag­ten Unter­gang von Maschi­nen­bau, Auto­mo­bil­bau, den Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rern usw. auf Google gesucht. Eine große Zahl davon lesen sich 1:1 wie die heutige Presse. Ein kurzer Blick auf die DAX Entwick­lung nach 1993 zeigt, was dann doch möglich war! Das ist aber sicher auch kein Auto­ma­tis­mus, und so ist es an der Zeit, wieder nach vorne zu schauen und uns drin­gend wieder auf die Poten­tiale von Inno­va­tion und persön­li­chem Einsatz zu besin­nen. Unsere Port­fo­lio­fir­men zeigen was auch heute abso­lut möglich ist!

 

Über Robert Gallenberger

Robert Gallen­ber­ger ist Foun­ding Part­ner bei Matter­wave Ventures. Vor Matter­wave war er einer der Part­ner im Team von btov Indus­trial Tech­no­lo­gies. Nach­dem er seine Karriere bei der BMW Group in der Produk­tion begon­nen hatte, entdeckte er während seines MBA-Studi­ums an der London Busi­ness School die Welt der Venture Capi­tal Invest­ments. Erste prak­ti­sche Erfah­run­gen sammelte Robert während Prak­tika und Projekt­ar­bei­ten bei den VC-Teams von 3i und DFJ Esprit. Nach einer Tätig­keit als Unter­neh­mens­be­ra­ter bei der Boston Consul­ting Group in London wech­selte er zu der belgi­schen Invest­ment­ge­sell­schaft Gimv. Während seiner sechs Jahre bei Gimv half Robert beim Aufbau des neuen Münch­ner Büros der Orga­ni­sa­tion von zwei auf 12 Voll­zeit­mit­ar­bei­ter und bei der Auswei­tung der Inves­ti­ti­ons­tä­tig­keit im Bereich der intel­li­gen­ten Indus­trien von Early Stage-Ventures bis zu Small Cap-Buyouts. Er ist im Aufsicht von DyeM­an­sion, Cybus, Head­made Mate­ri­als, Threedy, DessIA und Fruit­core Robo­tics. Robert ist ausge­bil­de­ter Maschi­nen­bau­in­ge­nieur mit einem Doppel­di­plom-Master-Abschluss der Tech­ni­schen Univer­si­tät München und der Ecole Centrale Paris.
www.matterwave.vc

 

 

 

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