ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe

Spezialisierung in der Mittelstandsberatung funktioniert heute nur noch begrenzt

Dazu 3 Fragen an Ralf Jourdan

PEBCO AG
Foto: Ralf Jourdan
29. August 2023

Der wich­tigste Trend in der Bera­tung ist eindeu­tig die Digi­ta­li­sie­rung. Ein zwei­ter Mega­trend ist, dass die Bera­ter nicht mehr nur Stra­te­gien ausar­bei­ten, sondern auch die Prozess­ver­än­de­run­gen im Unter­neh­men beglei­ten. Consul­tants sind nicht mehr nur die Stra­te­gie­be­ra­ter für die Geschäfts­lei­tung. Externe Bera­ter arbei­ten heute in vielen opera­ti­ven Projek­ten eng mit Mitar­bei­tern des Kunden zusammen.


Dazu 3 Fragen an Ralf Jour­dan, Grün­der der PEBCO AG

1. Was muss heute im Gegen­satz zu vor Covid bei mittel­stän­di­schen/­Fa­mi­lien-Unter­neh­men anders ange­gan­gen werden, auch aus Sicht einer Unternehmensberatung?

COVID hat im Grunde alle Themen, welche vor COVID klar waren, dass sie auf uns bzw. die Unter­neh­men zukom­men, teils dras­tisch beschleu­nigt. Das augen­fäl­ligste Beispiel ist „Teams“ oder „früher Video­te­le­fo­nie“. In der Folge: Reise­zei­ten wurden gekappt, Kosten entfie­len, mobi­les Arbei­ten – Home­of­fice etc. etc. waren mit einem „Finger­schnips“ etabliert. Dies zumin­dest in den Köpfen der Mitar­bei­ter und Kunden – lange noch nicht im Unter­neh­men, den Prozes­sen, der Quali­täts­si­che­rung, Produkt­ent­wick­lung, in der Führungs­mann­schaft, HR, Vertrieb und Co..

Das heißt im Grunde, die Verän­de­rungs­ge­schwin­dig­keit hat noch­mals deut­lich zuge­nom­men, was auch ganz allge­mein für Bran­chen­ent­wick­lun­gen, Tech­no­lo­gien, Skills für die Mitar­bei­ter usw. gilt.

In Summe bedeu­tet dies, dass alle Berei­che des Unter­neh­mens berührt sind und ange­passt werden müssen. Es ist nicht mehr damit getan „nur“ Spezi­al­ge­biete zu behan­deln, es gilt einen ganz­heit­li­chen Blick auf das Zusam­men­spiel der Segmente zu etablie­ren. Es braucht viel Erfah­rung, Weit­blick und Planung, verbun­den mit einer klaren Idee wie das Unter­neh­men künf­tige funk­tio­nie­ren soll, damit alle Räder wieder geschmei­dig inein­an­der­grei­fen. Das sind wirk­li­che Heraus­for­de­run­gen, gerade dann, wenn noch Tech­no­lo­gie­brü­che wie bspw. im Auto­mo­bil­sek­tor hinzukommen.

Auch denkt der Unter­neh­mer selbst früher „an sich“. Vorbei sind die Zeiten, wo der Kapi­tän bis in die Mitte seines sieb­ten Lebens­jahr­zehn­tes auf der Brücke stand. Die heutige Gene­ra­tion denkt (zurecht) bereits Mitte fünf­zig über die Nach­folge nach und auch sehr offen, ob dies in der Fami­lie gelöst werden soll/kann. Aus unse­rer Sicht muss deshalb eine Mittel­stands­be­ra­tung gene­ra­lis­tisch aufge­stellt sein. Es muss eine sehr erfah­rene, mit Indus­trie — aber auch Finanz­back­ground ausge­stat­tet Bera­tungs­mann­schaft sein, welche sattel­fest obige Themen gemein­sam mit dem Unter­neh­mer bespie­len kann.

2. Warum funk­tio­nie­ren die Banken nicht mehr wie früher im Zusam­men­spiel mit mittel­stän­di­schen Unternehmen?

Im Nach­lauf der Finanz­krise 2007 hat sich Europa über­re­gu­lie­ren „lassen“. Banken stecken heute in einem Korsett, welches ein unter­neh­me­ri­sches Risiko im Grunde komplett vermei­den soll. Die daraus resul­tie­rende Stan­dar­di­sie­rung ist leider nicht wirk­lich passend für den deut­schen Markt und hat an vielen Stel­len mit der deut­schen (Unter­neh­mer-) Reali­tät wenig zu tun. Die Neupo­si­tio­nie­rung der Banken (durch die Regu­lie­rung) bringt Struk­tur­pro­bleme mit sich, die früher im Rahmen des (Kredit)Risikomanagement von den Banken mitge­tra­gen wurden. Leider ist mit der „neuen Welt der Stan­dar­di­sie­rung“ bei den Banken ein gewis­ser Kompe­tenz­ver­lust fest­zu­stel­len, was gerade in schwie­ri­gen Unter­neh­mens­si­tua­tio­nen oder Konjunk­tur­la­gen Entschei­dun­gen deut­lich verlang­samt. Zusam­men­ge­fasst bleibt fest­zu­hal­ten, dass der  deut­sche Unter­neh­mer seinen Risi­ko­part­ner „Bank“ verlo­ren hat, heute steht im „nur“ noch ein Geld­ge­ber mit hohen forma­len Hürden „zur Seite“. Folg­lich hat sich der Markt  — und dies wird sich weiter­hin verstär­ken — neue Wege gesucht.

Heute haben Eigen­ka­pi­tal der Unter­neh­men, Debt-Fonds; PE’s, alter­na­tive Finan­zie­rungs­for­men einen erheb­li­chen Anteil an den Bilan­zen des brei­ten deut­schen Mittel­stan­des, mit weiter­wach­sen­der Tendenz. Damit können weite Teile der entstan­de­nen Finan­zie­rungs­lü­cke geschlos­sen werden. Es wird aller­dings nicht ohne Konse­quen­zen blei­ben. Nach unse­rer Einschät­zung wird dies den Struk­tur­wan­del unse­res Landes — weg vom mittel­stän­di­schen Fami­li­en­un­ter­neh­men — hin zu größe­ren Konzern­ge­bil­den,  weiter beschleu­ni­gen und damit den Mittel­stand als den „größ­ten Arbeit­ge­ber“ in Deutsch­land  erheb­lich verändern.

3. Wo sehen Sie Hand­lungs- oder Verbesserungsbedarf?

Wir dürfen den Markt nicht an jeder Stelle über­re­gu­lie­ren Wir soll­ten den Unter­neh­mern in unse­rem Land, die für Arbeits­plätze Sorge tragen, erheb­li­che Risi­ken auch persön­lich einge­hen nicht komplett „entmün­di­gen“. Ein Unter­neh­mer unter­nimmt, lassen wir ihn dies doch auch tun.

Wir soll­ten aufhö­ren jedwe­des Problem regeln zu wollen, um es danach über Subven­tio­nen „weg zu finan­zie­ren“. – Ist es wirk­lich rich­tig anzu­neh­men, es sei besser, wenn die Poli­tik, dem Markt, dem Unter­neh­men, Tech­no­lo­gie Entschei­dun­gen abnimmt? Stich­worte: Elek­tro – Wasser­stoff – Atom­kraft – Wind – Solar? Werden Entschei­dun­gen besser, wenn wir, um sie „markt­reif“ zu machen, diese dann mit Steu­er­gel­dern in den Markt hinein subventionieren?

Ich denk nicht!

Inso­fern, klares Peti­tum: wir müssen wieder mehr Wett­be­werb zulas­sen, Risi­ken einge­hen, um damit Inno­va­tio­nen hervor­zu­brin­gen, welche wir in unse­rem Land, in Europa dann markt­reif entwi­ckeln, produ­zie­ren und etablie­ren. Dies wird zu Wachs­tum und Stabi­li­tät führen.

 

 

Über Ralf Jour­dan, [email protected]

Ralf Jour­dan, Betriebs­wirt, ist seit mehr als 25 Jahren in rele­van­ten Führungs­funk­tio­nen für Groß­un­ter­neh­men und den Mittel­stand verant­wort­lich. Das Resul­tat: ein Höchst­maß an Erfah­rung und ausge­präg­tes Verständ­nis für stra­te­gi­sche und betriebs­wirt­schaft­li­che Zusammenhänge.

Seine Fach- und Führungs­kom­pe­tenz setzt er analy­tisch und stra­te­gisch zur Steue­rung und Führung von Manage­ment­pro­zes­sen ein. So wurde er im Laufe der Jahre zu einem wert­vol­len Spar­rings­part­ner für Unter­neh­mer und Manager.

Vor 10 Jahren hat er die Mittel­stand Bera­tung PEBCO AG precise.consulting gegrün­det, zuvor war er 5 Jahre CEO eines Fami­li­en­un­ter­neh­mens in der Konsum­gü­ter­in­dus­trie, davor war er 10 Jahre Mitglied der Geschäfts­lei­tung und Bereichs­vor­stand Corpo­ra­tes einer großen euro­päi­schen Banken­gruppe. Er hat 15 Jahre Erfah­rung in Chan­ge­ma­nage­ment und Restruk­tu­rie­rung sowie im Führen von Wachs­tums­sze­na­rien.

 

 

 

 

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