ALTERNATIVE FINANZIERUNGSFORMEN
FÜR UNTERNEHMER UND INVESTOREN
3 Fragen an kluge Köpfe

Regeln für einen nachhaltigen Finanzmarkt — eine Herausforderung für Unternehmen

Dazu 3 Fragen an Dr. Verena Ritter-Döring

Taylor Wessing in Frankfurt
Foto: Dr. Verena Ritter-Döring
15. Juni 2021

Die Dring­lich­keit, auf den globa­len Klima­wan­del zu reagie­ren, hat auf europäischer poli­ti­scher Ebene zu einer star­ken Forcie­rung von Maßnah­men geführt, die aktu­ell mit Vehe­menz durch das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren gebracht werden. Ab diesem Jahr müssen sich alle Finanz­markt­teil­neh­mer und großen Unter­neh­men mit dem Thema Nach­hal­tig­keit ernst­haft ausein­an­der­set­zen. Anlass sind einige rich­tungs­wei­sende Verord­nun­gen der Europäischen Union.


Dazu 3 Fragen an Dr. Verena Ritter-Döring, Rechts­an­wäl­tin und Part­ne­rin bei Taylor Wessing in Frankfurt

1. Ist ein (EU) Sustainable-Finance Regel­werk wirk­lich notwen­dig? Und sind diese neuen, harten Anfor­de­run­gen an Unter­neh­men denn realistisch?

Der euro­päi­sche Gesetz­ge­ber hat sich zum Ziel gesetzt, die Finanz­ströme in nach­hal­ti­ges Wachs­tum und nach­hal­tige Projekte zu lenken. Die Idee ist nicht neu. Schon seit Jahren gibt es Anbie­ter im Markt, die „grüne“ Finanz­pro­dukte bewer­ben. Das reichte bis jetzt aber nicht und wurde eher als „nice to have“ gese­hen. Zudem defi­nierte bis jetzt jeder die Nach­hal­tig­keit seiner Produkte selbst. Es gibt bislang eine Reihe Stan­dards, von den Verein­ten Natio­nen mitge­tra­ge­nen Prin­zi­pien für verant­wort­li­ches Inves­tie­ren (UN PRI) bis hin zu den Empfeh­lun­gen für nach­hal­tige Anla­ge­stra­te­gien des Fonds­ver­bands BVI. Jetzt gibt es mit der Offen­le­gungs­ver­ord­nung und der Taxo­no­mie-Verord­nung sehr konkrete regu­la­to­ri­sche Vorga­ben, die das Poten­tial haben, wirk­lich etwas zu verän­dern, weil sie Konsis­tenz und Vergleich­bar­keit gewähr­leis­ten wollen. Das neue Regel­werk ist vor diesem Hinter­grund auch notwen­dig, denn Frei­wil­lig­keit der Finanz­in­dus­trie reicht nicht aus.

Für den Finanz­markt ist die neue Regu­lie­rung, die eher leise daher­kam, ein Mammut­pro­jekt. Gerade für klei­nere Finanz­dienst­leis­ter ist das ein Riesen­ding! Die Aufsicht, sowohl auf euro­päi­scher als auch auf natio­na­ler Ebene, wird hier nicht von heute auf morgen eine 100%ige Compli­ance erwar­ten. Dennoch muss der Gesetz­ge­ber irgendwo anfan­gen, und das ist hier erst der Anfang. Da wird in den nächs­ten Jahren noch mehr konkrete Regu­lie­rung kommen.

2. Wie sieht der Akti­ons­plan aus? Was muss von den Vorga­ben wirk­lich umge­setzt werden?

Die Offen­le­gungs­ver­ord­nung gilt bereits seit 10. März 2021 und hat zum Ziel, den Inves­tor besser als bisher über die nach­hal­ti­gen Anteile der ange­bo­te­nen Finanz­pro­dukte zu infor­mie­ren. Auch müssen nun Finanz­markt­teil­neh­mer und Anla­ge­be­ra­ter u.a. eine Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie auf ihrer Home­page veröf­fent­li­chen. Das setzt voraus, dass jeder Finanz­markt­teil­neh­mer so eine Stra­te­gie entwi­ckelt, die nicht nur aus schö­nen Worten besteht. Im Moment haben wir dann noch das Problem, dass es Daten zur Nach­hal­tig­keit der Finanz­pro­dukte, die dem Inves­tor eine infor­mierte Entschei­dung ermög­li­chen sollen, noch nicht voll­um­fäng­lich gibt. So bleibt der Bran­che im Moment nichts ande­res übrig, als das umzu­set­zen, was schon geht und sich nach und nach die entspre­chen­den Daten einzu­kau­fen und ihre inter­nen Prozesse anzupassen.

Die Kehr­seite ist, dass alle Unter­neh­men, die sich über den Finanz­markt Kapi­tal beschaf­fen wollen, nun auch Infor­ma­tio­nen und Finanz­da­ten zu Nach­hal­tig­keits­aspek­ten offen­le­gen müssen. Das gilt für PE-Fonds, über VC-Struk­tu­ren und andere alter­na­tive Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten genauso wie für die klas­si­schen Debt-Instru­mente oder die klas­si­schen Aktien. Die neue Regu­lie­rung trifft also nicht nur den Finanz­markt, sondern auch die Real­wirt­schaft. Und es geht bei ESG gerade nicht nur um Klima-Aspekte, sondern auch um Sozia­les und um Corpo­rate Gover­nance-Themen. Hier ist ein gesell­schaft­li­ches Umden­ken gefragt.

3. Welche Auswir­kun­gen hat das neue Regel­werk auf die Rendite? Wie steht es um private Inves­to­ren? Wie erkennt ein Inves­tor, ob z. B. bei einem Fonds die Regu­lie­rung einge­hal­ten wurde?

Rendite ist ein wich­ti­ges Stich­wort. Der Wandel hin zu einem nach­hal­ti­gen Finanz­markt wird nicht erfolg­reich sein, wenn die Finanz­pro­dukte, die beson­ders grün sind, für die Anle­ger nicht auch renta­bel sind. Das gilt sowohl für insti­tu­tio­nelle als auch für private Anle­ger. Es gibt auf Inves­to­ren­seite derzeit eine hohe Nach­frage nach nach­hal­ti­gen Produk­ten. Durch die klaren Vorga­ben der Offen­le­gungs­ver­ord­nung, die ab nächs­tem Jahr noch konkre­ti­siert werden durch die dazu­ge­hö­ri­gen tech­ni­schen Stan­dards, die die ESMA im Februar 2021 bereits final veröf­fent­licht hat, kann der Inves­tor in der Doku­men­ta­tion des nach­ge­frag­ten Finanz­pro­dukts sehr gut erken­nen, was drin ist.

Die regu­la­to­risch nun gefor­der­ten Infor­ma­tio­nen ermög­li­chen dem Inves­tor auch Vergleichs­mög­lich­kei­ten inner­halb einer Produkt­pa­lette, weil hier – auch durch die Taxo­no­mie-Verord­nung – ein Markt­stan­dard entste­hen wird, der ausweist, wie grün und nach­hal­tig ein Produkt ist. Natür­lich werden weiter­hin auch nicht nach­hal­tige Produkte ange­bo­ten, die selbst­ver­ständ­lich auch erwor­ben werden dürfen. 

Über Dr. Verena Ritter-Döring
Dr. Verena Ritter-Döring leitet den Bereich Bank­auf­sichts- und Invest­ment­recht bei Taylor Wessing in Frank­furt und ist seit vielen Jahren spezia­li­siert auf die Regu­lie­rung des Finanz­mark­tes und die entspre­chende Abstim­mung mit den Aufsichts­be­hör­den. Sie hilft Mandan­ten sowohl bei der Umset­zung neuer aufsichts­recht­li­cher Vorga­ben als auch bei Rechts­fra­gen der tägli­chen Compli­ance und dem Aufset­zen neuer Produkte oder Fonds. Die ESG-Regu­lie­rung ist derzeit ein Schwer­punkt­thema ihrer Bera­tung. Auf ihrem Blog aufsichtsrechtsnotizen-taylorwessing.de geben sie und ihr Team wöchent­lich Updates zum Aufsichtsrecht.

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